Wenn es um Reinigungssysteme geht, wird weltweit auf Produkte und Lösungen von Kärcher gesetzt – sowohl von privaten als auch von professionellen Anwendern. Doch was tun, wenn eine Düse des Hochdruckreinigers verstopft ist? Kein Problem, das von TGW realisierte Logistikzentrum von Kärcher in Obersontheim sorgt für schnellsten Ersatz.
Wer kennt sie nicht, die oft im markanten gelb gehaltenen Hochdruckreiniger, Sauger, Pumpen oder Dampfreiniger von Kärcher. Das schwäbische Familienunternehmen ist in Qualität und Technologie weltweit der führende Anbieter von Reinigungssystemen, Reinigungsprodukten und Dienstleistungen für Freizeit, Haushalt, Gewerbe und Industrie. 12,5 Mio. Geräte verkaufte das Unternehmen allein im Jahr 2013 – Tendenz stark steigend. 10.700 Mitarbeiter sind bei Kärcher beschäftigt, in 60 Ländern werden eigene Vertriebsgesellschaften betrieben.
Schnelle Ersatzteilversorgung aus dem Zentrallager
Bei der großen Anzahl an privaten und gewerblichen Anwendern weltweit trägt eine schnelle Ersatzteilversorgung wesentlich zur Kundenzufriedenheit bei. Kärcher setzt dabei auf eine Zentrallagerlösung. „Von Obersontheim werden unsere Ersatzteile, Zubehöre und ein Teil der Reinigungsmittel weltweit versendet, was auch die Bedeutung des Standortes verdeutlicht. Ersatzteile müssen schnell verfügbar sein, und das ist auch die Herausforderung, die sich uns hier stellt“, erklärt Roland Fahrmeier, Bereichsleiter Logistics Management bei Kärcher.
Seit 1993 betreibt Kärcher in Obersontheim ein Logistikzentrum. Das rasche Wachstum, die ständige Ausweitung des Teilespektrums und die Zunahme der direkten Belieferung von Endkunden machten 2009 eine Neukonzeption des Standortes notwendig. Fahrmeier erinnert sich: „Wir sind zu dem Resultat gekommen, dass es strategisch am besten ist, hier in Obersontheim zu bleiben, auf die bestehende Struktur und die bestehende Mitarbeiterschaft aufzubauen.“ Auch die Lage ist günstig, weil Obersontheim sich recht gut im Zentrum des hauptsächlichen Liefergebiets befindet. Die Nachteile, die z. B. durch den fehlenden direkten Autobahnanschluss bestehen, werden durch andere Faktoren mehr als aufgefangen.
„Das Grobkonzept für die Erweiterung wurde damals mit Miebach Consulting erstellt“, erzählt der Logistikchef. „Miebach hat uns dann auch in der Projektleitung unterstützt.“ Mit der Realisierung der technischen Lösung wurde nach einer breiten Ausschreibung der Systemintegrator TGW betraut. „Wir haben einen Komplettanbieter gesucht, der möglichst viel abdecken kann. TGW hatte diese Möglichkeiten: Sie können die Technik liefern, die entsprechende Software programmieren und nicht ‚nur‘ ein AKL, eine Hochregallagervorzone oder ein Shuttle bauen, sondern die gesamten Gewerke im Verbund realisieren.“
65.000 Artikel – von der Schraube bis zur Bürstenwalze
Das Volumen, das von den Kärcher-Mitarbeitern in Obersontheim bewältigt wird, ist beeindruckend: über 60.000 Ersatzteile und rund 5.000 Zubehörartikel sind derzeit in Obersontheim auf Lager, darunter auch Langsamdreher, die ein starkes, zentrales Distributionszentrum sinnvoll machen. 2,8 Mio. Auftragspositionen werden im Jahr versendet, 2,2 Mio. davon gehen in die Strecke, also direkt an Servicetechniker oder auch an Endkunden, die restlichen 600.000 Positionen werden an die internationalen Niederlassungen und Händler versendet. Und auch die saisonalen Schwankungen sind beträchtlich. In den Frühjahrsmonaten, wenn die Reinigungsgeräte für den Außenbereich wieder in Betrieb genommen werden, wickelt das Distributionszentrum bis zu 300.000 Auftragspositionen im Monat ab, in schwächeren Monaten geht dieser Wert auf rund 150.000 Positionen zurück.
Diese Mengen zu bewältigen und insbesondere die in der Endkundenbelieferung geforderten kurzen Lieferzeiten legten die Entscheidung für ein automatisiertes Lager- und Kommissioniersystem nahe. „Vorher hatten wir viele Mann-zur-Ware-Prozesse, wo die Mitarbeiter jeden Tag teilweise 10 km und mehr gegangen sind, bis sie den ihnen zugeordneten Lagerbereich abgelaufen waren, um die Ware zu holen. Heute ist das Hauptprinzip‚ Ware-zum-Mann‘, und das geht ja nur, wenn man verstärkt automatisiert“, sagt Roland Fahrmeier. Dadurch konnte auch die Durchlaufzeit der Aufträge im Distributionszentrum drastisch reduziert werden. Aufträge mit nur einer Position werden im Durchschnitt innerhalb von 30 Minuten zum Versand bereitgestellt.
Aber nicht nur die Mengen und Geschwindigkeiten stellten eine Herausforderung dar. Auch das Artikelspektrum musste in der Lösung optimal abgebildet werden. „Wir haben alles Mögliche an Ersatzteilen: von O-Ringen, Schrauben – wirklich Kleinstteilen – bis hin zu großen Bürstenwalzen für die Fahrzeugwäsche. Das zu bewältigen ist schwierig“, erklärt Fahrmeier. Deshalb entschied man sich für eine Lösung, die aus mehreren Lager- und Kommissionierbereichen besteht, um für jeden Artikel den richtigen Prozess wählen zu können. Den mengenmäßig größten Anteil nimmt dabei das Kleinteilelager ein, aus dem ca. 70 % der Auftragspositionen kommissioniert werden.
Ware-zur-Person – automatisiertes Kommissioniersystem
Das von TGW realisierte automatische Kleinteilelager (AKL) umfasst 85.000 Stellplätze für Behälter, die im Wareneingang mit den Artikeln befüllt werden, die aufgrund ihrer Größe für die Lagerung in Behältern geeignet sind. In den acht Regalgassen mit jeweils 77 m Länge sorgen Einmast-Regalbediengeräte des Typs Mustang für die einfachtiefe Ein- und Auslagerung in den 14 m hohen Regalen. Dieses AKL sorgt für die vollautomatische Versorgung der Kommissionierarbeitsplätze.
In der Kommissionierung wird nach dem Prinzip Ware-zur-Person gearbeitet, um den Mitarbeitern lange Wege zu den Artikeln und damit Zeit zu ersparen. Beim Design der Kommissionierplätze legten Kärcher, Miebach und TGW besonderes Augenmerk auf ergonomische Gestaltung und hohe Kommissionierleistung. Deshalb kommen hier acht TGW PickCenter-Arbeitsplätze zum Einsatz. An jedem wird abwechselnd aus den beiden verfügbaren Quellbehältern kommissioniert. In der Mitte befindet sich der offene Auftragsbehälter. Alle drei Positionen sind geneigt angeordnet, um den Mitarbeitern einwandfreie Einsicht und einen optimalen Greifweg zu ermöglichen. Außerdem wurde in diesen Arbeitsplätzen ein sehr schneller Wechsel der Behälter realisiert, damit während des Vorgangs keine Wartezeiten entstehen.
Ergonomische Arbeitsplätze für hohe Kommissionierleistung
Neben der funktionalen und optischen Gestaltung legte TGW auch bei der Bedienerführung die Erkenntnisse aus der Ergonomieforschung zugrunde. Die Position des Bildschirms, auf dem die Anweisungen für den Mitarbeiter so groß und einfach wie möglich angezeigt werden, wurde entsprechend gewählt ebenso wie die Taster zum Bestätigen der Kommissioniervorgänge. Um auch bei mehrfach unterteilten Behältern die Sicherheit zu haben, das richtige Teil zu nehmen, markiert ein rotes Licht das korrekte Fach, aus dem die Ware entnommen werden muss. Alle diese Maßnahmen ermöglichen den Mitarbeitern an jedem Arbeitsplatz eine sehr hohe Kommissionierleistung, inklusive aller Nebentätigkeiten wie Zählen, Verpacken und Etikettieren der Waren.
Parallel zur Kommissionierung im Kleinteilebereich werden auch die größeren Waren in anderen Bereichen des Distributionszentrums kommissioniert. „In der Regel haben wir mindestens drei Positionen je Auftrag“, sagt Fahrmeier. „Das heißt, wir müssen die Waren aus verschiedenen Bereichen konsolidieren. Das war auch einer der Gründe, das Shuttle-System einzusetzen.“ 5.200 Behälter haben in diesem zweigassigen Pufferlager Platz. Insgesamt 36 TGW Stingray Shuttles sorgen in diesem System für die notwendigen 1.800 Ein- und Auslagerungen in der Stunde. Die kommissionierten Behälter werden konsolidiert und in der optimalen Reihenfolge für die Verpackung zur Verfügung gestellt.
Stingray Shuttle System als Hochleistungs-Konsolidierungs-Puffer
„Das Shuttle-System gibt uns die Möglichkeit, zum spätest möglichen Zeitpunkt die Waren herauszuholen, in ein Paket zu konsolidieren und an den Kunden zu senden. Dadurch schaffen wir es, möglichst wenige Packstücke für unsere Kunden zu erzeugen. Und wenn der Kunde mehrmals am Tag bestellt, haben wir auch das Ziel, diese Mehrfachbestellungen in ein Paket zusammen zu bringen“, erzählt der Kärcher-Logistikleiter. Die Kunden des Reinigungsspezialisten haben den Vorteil, dass sie genau ein Paket am Tag bekommen, für Kärcher bedeutet das außerdem, dass weniger Verpackungsmaterial benötigt wird, die Verpackung effizienter arbeiten kann und weniger Pakete versendet werden.
Zusätzlich zu den Waren in Behältern, die aus dem Stingray Shuttle System automatisch an die Verpackungsarbeitsplätze kommen, werden größere Waren manuell bereitgestellt. Der Arbeitsschwerpunkt in diesem Bereich liegt am Nachmittag, zwischen 12 und 18 Uhr, um rechtzeitig vor den Abfahrtszeiten der Lkw die Bestellungen versandfertig zu haben.
Die neue Logistiklösung in Obersontheim trägt wesentlich dazu bei, dass Kärcher hochzufriedene und begeisterte Kunden hat.
Die Zukunft liegt im e-Commerce
Für das Logistikteam von Kärcher heißt das aber nicht, dass man sich jetzt ruhig zurücklehnen kann. Weiteres Wachstum und damit eine weitere Ausweitung des Teilespektrums ist so gut wie sicher. Die aktuelle Logistiklösung wird dieses Wachstum einige Zeit gut bewältigen können. Für die Zeit danach wurde schon in der Planung mit vorhandenen Flächen vorgesorgt, die eine Verdopplung der derzeitigen Kapazitäten ermöglichen.
„Die zweite große Herausforderung wird das Thema e-commerce sein“, das ist für Roland Fahrmeier heute schon klar. „Je nach Weiterentwicklung dieses Bereichs werden wir uns auf andere Geschwindigkeiten und andere Serviceversprechen einstellen müssen, die wir unseren Kunden dann bieten.“ Eine Umfrage bei den weltweiten Vertriebsgesellschaften hat beispielsweise deutlich ergeben, „dass die taggleiche Verfügbarkeit in Richtung 2020 immer wichtiger wird“, so der Logistiker. Ein optimales Zusammenspiel zwischen dem zentralen Lager in Obersontheim mit seiner großen Artikelvielfalt und regionalen Distributionszentren, die nahe bei den Kunden sind, wird dann für die Versorgung der Kunden mit Kärcher-Ersatzteilen sorgen.