Der größte Musikinstrumentenversender Europas und das größte Musikgeschäft befindet sich im fränkischen Treppendorf. In dem 150 Seelen-Dorf sticht eines heraus: Das Musikhaus Thomann. Nicht nur, weil es während der Arbeitszeiten die Anzahl der Personen in Treppendorf um 860 erhöht. Auch weil im Musikhaus Thomann die Musik gelebt wird. Mehr als 65.000 Artikel warten in den Lagerhallen und im Shop auf begeisterte Musiker, die entweder über den Online-Store einkaufen, oder die Ware direkt in Treppendorf abholen. Die musikalischen Waren werden im neuen Logistikzentrum, das von TGW für Thomann realisiert wurde, vorbereitet und versandt. Thomann denkt langfristig, denn „es gibt nichts mehr, das es nicht gibt“.
Bis zu 2.500 Kunden machen sich jeden Samstag auf den Weg nach Treppendorf. Ihr Ziel ist das Musikhaus Thomann. Der 5.500 Quadratmeter große Shop lässt jedes Musikerherz höher schlagen, werden dort doch über 65.000 Artikel verkauft. Von der Gitarrensaite bis zur vier Meter-Traverse – Thomann weiß, was seine Kunden suchen. Doch dies ist nur die Spitze des Eisberges. E-Commerce bei Thomann boomt und knapp vier Millionen Kunden aus ganz Europa ordern regelmäßig beim weltweit größten Musikversandhandel in Treppendorf. Die Kombination aus Sortiment und Service sorgte für überdurchschnittliches Wachstum – die Anforderungen an die Logistik stiegen rasant an. Die Automatisierung des Logistikzentrums bei Thomann wurde 2009 von TGW umgesetzt.
Schnelligkeit und Service – Zeitgeist bei den Musikern
„Mit unserem alten System sind wir an unsere Grenzen gestoßen“, erklärt Hans Thomann, Inhaber des Musikhaus Thomann. „Wir liegen bei 12.000 Paketen am Tag, zur Weihnachtszeit sind das auch schon mal 20.000 Pakete. Wir wussten, wir brauchen eine neue Anlage, die 40 bis 50 Prozent mehr Ausstoß bewältigen kann. Deshalb haben wir uns für ein automatisches Kleinteilelager und ein automatisches Palettenlager entschieden.“ Die Kunden bestehen auf schnellem Service und diskutieren auch in fachspezifischen Foren über die Logistikqualität des Musikhauses. Thomann reagierte auf diesen Trend, „obwohl wir uns nie hätten träumen lassen, dass gerade in der heutigen Zeit der Wert von unseren Kunden so auf Logistik liegt“, ist Hans Thomann erstaunt. 94 Prozent der Warenverfügbarkeit im Lager ist für den Unternehmer ein wichtiger Faktor. Dennoch ist die Verfügbarkeit der Ware im Lager nicht alles, wenn man die Ware zwei Tage lang nicht aus dem Lager bekommt. Extrem kurze Zugriffszeiten sind bei Thomann mit dem neuen System jetzt gang und gäbe. „Wenn man eine Bestellung online platziert, dann ist sie ungefähr in 28 Minuten im Lastwagen. Das ist eine tolle Leistung. Wenn ich aber einen Kunden im Geschäft habe, der drei Klarinettenblätter kauft, die zufällig nicht im Laden sind, und er dann noch 20 Minuten warten muss, bis er an seine Ware kommt, dann sind das 15 Minuten zu viel.“ Aus diesem Grund sieht der Kunde auf Monitoren im Geschäft seine exakte Abholzeit und kann so lange noch im reichhaltigen Thomann-Angebot stöbern. Dieser Service wird auch samstags geboten, denn da pilgern Musikbegeisterte regelrecht nach Treppendorf, um bei Thomann ihr Equipment zu erstehen.
Alles für den Kunden
99 Prozent des Geschäfts wickelt Thomann direkt mit dem Endkunden ab. Deshalb ist es wichtig, was dieser denkt. „Uns war von Vornherein klar, dass unsere Logistik nicht bestimmen darf, welche Art von Produkten wir in Zukunft führen. Wir müssen nach wie vor die Möglichkeit haben die Produkte, die unsere Kunden wollen und die wir gut finden, in der Logistik abzuwickeln“, so Hans Thomann. Diese Herausforderung nahm TGW als Generalunternehmer an und installierte eine komplett neue Anlage unter Berücksichtigung aller Warengruppen. „Wenn ein Schlagzeug aus fünf Teilen und fünf Kartons besteht, dann ist das eben so. Wenn ein Kunde nicht 100 Meter Kabel kaufen möchte, sondern 13,7 Meter, dann kriegt er 13,7 Meter Kabel“, darauf besteht der Chef. Diese Voraussetzungen teilten das neue 20.000 m2 große Lager in unterschiedliche Bereiche ein.
Außergewöhnliches System für die Musikwelt
Ein außergewöhnliches Unternehmen braucht eine außergewöhnliche Logistiklösung. Ein hochflexibles System für die sensiblen Güter zu finden – das war der ursprüngliche Plan. Dass ein komplett neues automatisiertes Logistikzentrum entstehen würde, daran dachte anfangs keiner. „Wir sind den Weg über den Natrix Sorter gegangen, ein Weg, der vermutlich eher wenig traditionell ist. Wir haben deshalb keinen Zwischenpuffer – es ist extrem viel Software gesteuert“, meint Hans Thomann über die neue Anlage. „Das war natürlich ein Experiment, aber es funktioniert und für uns ist es sehr praktisch, da wir auch auf eine Art kommissionieren, wie es nicht viele machen. Wir schreiben erst dann die Rechnung oder belasten die Kreditkarte, wenn alles verpackt ist und die Ware verschickt wird“, erklärt Thomann.
Automatisches Kleinteilelager und automatisches Palettenlager
Die massive Halle wurde extra für das neue Logistiksystem gebaut. Das automatische Palettenlager hatte nach der ersten Bauphase eine Kapazität von 11.000 Stellplätzen. Durch den rasanten Erfolg von Thomann, wurde das Lager bereits um weitere 7.000 Stellplätze erweitert. Fünf Regalbediengeräte sorgen für die automatische Ein- und Auslagerung der Waren.
Im automatischen Kleinteilelager (AKL) mit vier Gassen, sorgen jeweils zwei der bewährten TGW Mustang Regalbediengeräte pro Gasse für insgesamt über 1.000 Doppelspiele pro Stunde. Insgesamt stehen hier 70.000 Behälterstellplätze zur Verfügung. Die reine Lagerfunktion steht im Hintergrund – die Versorgung der Kommissionierung durch das AKL stellt die wesentliche Funktion dar. Insbesondere die hohe Anzahl der kleineren Artikel verlangt schnellen Zugriff auf die Waren. Diese Kleinteilekommissionierung wird für die Schnelldreher an Durchlaufkanälen durchgeführt. Für die Langsamdreher stehen fest zugeordnete separate Ware-zum-Mann Arbeitsplätze zur Verfügung. Die Versorgung mit Waren und Leerbehältern funktioniert in der gesamten Kleinteilekommissionierung vollautomatisch.
Im manuellen Kommissionierbereich, dem Handgreifflächenlager, werden die Waren auf Paletten bereitgestellt. Für die Kommissionierung stehen Kommissionierwägen und Stapler mit Funkterminals zur Verfügung, die anzeigen, welches Regalfach angefahren werden muss. Die kommissionierten Artikel werden dann an neun Aufgabetischen in den Sorter-Loop geschleust.
Größere Waren werden im Originalkarton belassen und kommen ohne Umpacken zum Versand. Diese speziellen Aufträge werden sowohl im Handgreifflächenlager als auch im Rahmen der C-Teile Kommissionierung im Hochregallager zusammengestellt.
Zwei Verpackungsbereiche sorgen für reibungslose Abläufe bis zum Versand. Einerseits werden die größeren Aufträge, sowohl Pakete mit größeren Abmessungen als auch Aufträge, die aus einer größeren Stückzahl bestehen, über den Sorter zu den 32 eigens dafür vorgesehenen Arbeitsplätzen mit jeweils zwei Abwurfbahnen geleitet. Hier werden sie in passende Versandkartons gepackt und in den Versand weitergeschickt. Andererseits erfolgt die Verpackung kleinerer Bestellungen in einem separaten Bereich – jene Aufträge aus dem AKL, deren Inhalt das Volumen eines Behälters nicht überschreitet und für die aus keinem anderen Lagerbereich Artikel notwendig sind.
Das hohe C der Anlage
Die Anforderung an die Software war sowohl für Thomann als auch für TGW eine Herausforderung. Die Software-Steuerung der Anlage auf Basis der TGW Standardprodukte CI_LOG und CI_FLOW wird durch Infosystem, Visualisierung und System Monitoring ergänzt und behält den Überblick über die komplexe Anlage. Sie sorgt dafür, dass alle Einzelteile eines Auftrags möglichst rasch auf dem Natrix Sorter landen. Sowohl die vom AKL kommissionierten Artikel als auch vom Palettenlager kommende größere Waren und jene vom Handgreifflächenlager finden ihren Weg fast zeitgleich zu den Packplätzen. Da es keinen Puffer gibt, liegt die Verantwortung bei der Software, alle nötigen Kommissioniervorgänge zum richtigen Zeitpunkt zu starten. Diese Koordination kann getrost als das hohe C der Anlage bezeichnet werden.
Der bewährte TGW Natrix Sorter ist der zentrale Sammel- und Verteilpunkt im Lager. Der dem Sorter vorgelagerte Behälterpuffer mit einer Kapazität von etwa 150 Behältern unterstützt die Synchronisierung der Aufträge. Der Sorter im Thomann Versandlager zeichnet sich außerdem dadurch aus, dass neben der Normalgeschwindigkeit auch eine Hochleistungsgeschwindigkeit eingestellt werden kann. Dies ist wichtig, um die Leistung zu Spitzenzeiten erhöhen zu können, während die Anlage im Normalbetrieb geschont wird.
Qualität als Zukunftsgarant
„Die Investition war aus heutiger Sicht genau die richtige Entscheidung“, erklärt Hans Thomann, dessen Vater 1954 mit einem Musikgeschäft die Weichen für das Musikhaus Thomann gestellt hat. Mittlerweile erwirtschaftet der Laden in Treppendorf den kleineren Teil des Umsatzes. Der Gesamtumsatz belief sich im vergangenen Geschäftsjahr auf knapp 400 Millionen Euro. Die halbe Milliarde ist definitiv ein Ziel von Hans Thomann. „Wir sind gesund gewachsen in den letzten Jahren, sodass wir auch unsere Investitionen aus dem Cashflow bezahlen können und nicht zum Wachstum verdammt sind.“ Vom Kindheitstraum zum internationalen Erfolg in einer Nischenbranche. Hans Thomann konnte sich seine Träume erfüllen: „Als ich als kleiner Junge im Laden war, habe ich mich immer geärgert über die Kunden, die gesagt haben, dort ist es billiger, und dort gibt es Produkte, die ihr nicht habt. Damals habe ich mir geschworen, es sollen sich andere über die Preise ärgern und ich möchte die Produkte führen, die andere nicht anbieten können.“ Der Traum wurde war. Das Musikhaus Thomann führt Produkte, die es sonst in ganz Europa nicht gibt. Premium Brands von Rang und Namen, Exklusiv-Importe und etwa 20 Eigenmarken. Die Mischung macht’s. Und die Qualität auch. „Unser Kernkonzept sind unsere Qualitätsmerkmale. Wir haben alleine 40 Mitarbeiter, die sich ausschließlich darum kümmern, dass die Produkte beim Kunden in Topqualität ankommen. Das heißt jede Gitarre, jedes Streichinstrument, jedes Holz- und Blechblasinstrument wird vorher geprüft und gecheckt.“ In eigens dafür gebauten Stimmkabinen werden die Instrumente von den Fachleuten bespannt und gestimmt, sodass die Kunden ihre Instrumente sofort bespielen können.
Hans Thomann zeigt sich zuversichtlich für die Zukunft. Schließlich steckt er bereits in den Planungen für weitere Ausbauschritte. „Jetzt dominiert das Internet, wo sich das Hamsterrad wirklich schneller und schneller dreht, sodass wir auch dieses Gebäude erweitern werden müssen, oder ein zweites Gebäude benötigen.“ Für das Musikhaus Thomann gilt es auch langfristig zu denken, „denn es gibt nichts mehr, das es nicht gibt.“